Der Internationale Strafgerichtshof (ICC)
Nach dem Ende der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse begannen die Generalversammlung der UNO und
die International Law Commission, Entwürfe für ein internationales Strafgesetzbuch und das
Statut eines internationalen Strafgerichtshofs auszuarbeiten. Damit wollten sie zum einen die durch das
IMT angestoßene Entwicklung des internationalen Strafrechts festhalten und vorantreiben. Zum anderen
hofften sie, einen Gerichtshof zu schaffen, der nicht dem Vorwurf der Siegerjustiz und des Verstoßes
gegen den nullum crimen sine lege- Grundsatz ausgesetzt sein würde.Diese Bemühungen scheiterten
jedoch an den Spannungen des Kalten Krieges.
Erst Ende der achtziger Jahre konnten die Arbeiten für einen internationalen Strafgerichtshof
wiederaufgenommen werden. Die während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und Ruanda verübten
Verbrechen machten die Notwendigkeit seiner Errichtung erneut deutlich.
Anfang der neunziger Jahre ersuchte die Generalversammlung der UNO die International Law Commission (ILC), sich mit dem Projekt eines
internationalen Strafgerichtshofs zu beschäftigen. Diese legte 1994 den Entwurf eines Statuts für
einen internationalen Strafgerichtshof vor. Die Generalversammlung beschloss daraufhin, eine diplomatische
Konferenz einzuberufen. Anders als die ad hoc-Tribunale sollte der permanente Internationale Strafgerichtshof
(ICC) durch einen internationalen Vertrag, ausgehandelt durch souveräne Staaten im Rahmen der
Generalversammlung geschaffen werden. Nur dieser Weg barg die Chance, dem ICC universelle Akzeptanz zu
verschaffen.
Die diplomatische Konferenz fand vom 15. Juni bis 17. Juli 1998 in Rom statt. Um diese Mammutkonferenz mit
Teilnehmern aus mehr als 160 Staaten und 200 Nichtregierungsorganisationen vorzubereiten, wurden ein Ad
Hoc- Committee und als dessen Nachfolger das Preparatory Committee einberufen. Sie arbeiteten einen
konsolidierten Vertragstext zur Vorlage bei der sogenannten Romkonferenz aus.
Trotz der umfangreichen Vorbereitungen waren die Erwartungen an das Gelingen der Romkonferenz nicht sehr
groß. Die Verhandlungen wurden von der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheit über das
Verhältnis von Gerichtshof und Vertragsstaaten geprägt. Auf der einen Seite standen die Verfechter
eines starken Gerichtshofs, die sich einen Vorrang des ICC nach dem Muster der ad hoc-Tribunale wünschten.
Auf der anderen Seite standen die um ihre Souveränität fürchtenden Staaten. Sie wollten das
Verhältnis zwischen ICC und Vertragsstaaten als ein Verhältnis zwischen gleichberechtigten
Völkerrechtssubjekten ausgestalten und dem ICC möglichst wenig nationale Kompetenzen übertragen.
Die Verhandlungsteilnehmer hatten in Rom nur 25 Arbeitstage , um diese und andere Meinungsverschiedenheiten
beizulegen. Um das enorme Pensum in der kurzen Zeit bewältigen zu können, war ein wahrer
Verhandlungsmarathon notwendig, bei dem die Delegierten die Nächte und Wochenenden durcharbeiten mussten.
Am 17. Juli, dem letzten Tag der Konferenz, wurde der ausgehandelte Vertragstext als Ganzes zur Annahme
gestellt. Die USA und Indien, zwei der vehementesten Gegner des ICC, versuchten in letzter Minute, die
Annahme des Statuts durch die Stellung neuer Änderungsanträge zu verhindern. Eine
überwältigende Mehrzahl der Delegierten entschied sich jedoch gegen ein Wiederaufrollen des
Vertragstextes. Bei der darauf folgenden Abstimmung wurde das Statut mit einer Mehrheit von 120 zu sieben
Stimmen bei 21 Enthaltungen angenommen.
Es verleiht dem ICC die Kompetenz, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen
und das Verbrechen der Aggression zu verfolgen. Seine personelle Zuständigkeit erstreckt sich auf
natürliche Personen. Zeitlich gesehen fallen nur die nach dem Inkrafttreten des Statuts begangenen
Verbrechen in seine Zuständigkeit. Der ICC ist nicht universell zuständig. Insoweit konnten sich
die Gegner eines starken Gerichtshofs durchsetzen. Vielmehr darf der ICC seine Gerichtsbarkeit grundsätzlich
nur ausüben, wenn entweder der Staat, in dessen Hoheitsgebiet das Verbrechen begangen wurde, oder der
Staat, dessen Staatsangehöriger des Verbrechens beschuldigt wird, Vertragspartei des Statuts ist. Eine
wichtige Ausnahme gilt in den Fällen, in denen der Sicherheitsrat der UNO den ICC quasi als
ad hoc-Tribunal mit einer Krisensituation befasst.
Anders als der ICTY und der ICTR genießt der ICC nicht den Vorrang vor nationalen Gerichten. Er ist
nur zuständig, wenn der eigentlich zuständige Staat nicht willens oder in der Lage ist, das in Frage
stehende Verbrechen zu verfolgen. Damit soll zum einen die nationale Souveränität respektiert und zum
anderen die Entwicklung nationaler Strafgerichtsbarkeit für internationale Verbrechen angeregt werden.
Zu Beginn des Jahres 2003 wurden die Richter und der Ankläger des ICC gewählt. Ihnen steht eine
schwierige Aufgabe bevor. Sie müssen durch ihre Arbeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ICC
gewinnen und damit um universelle Ratifikation seines Statuts und die universelle Bekämpfung von
Menschenrechtsverletzungen werben. |
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